HeirateDichTürkisch ~ „Um die Hand anhalten für Anfänger“

Heirate Dich Türkisch – „Um die Hand anhalten für Anfänger“

Selam allerseits,… eine ganz besondere Erfahrung und ein würdiges Thema für meinen ersten Artikel ist es, wie ich um die Hand meiner Verlobten anhielt. Zwar gibt es bei uns Deutschen auch noch den ein oder anderen Mutigen, der beim Vater der Auserwählten um Erlaubnis bittet seine Tochter ehelichen zu dürfen, doch ist das nicht mehr sonderlich verbreitet und unterliegt auch keinen besonderen Spielregeln. Bräutigam und zukünftiger Schwiegerpapa sind zu diesem Zeitpunkt außerdem oft schon so angetrunken, dass Spielregeln hier keine besonders große Rolle mehr spielen dürften, oder?

Wie ich feststellen musste, funktioniert das bei den Türken alles ein bisschen anders. Der Brauch sieht vor, dass die Familie des Bräutigams bei der Familie der Braut vorspricht. Mit Blumen und erlesener Schokolade ausgestattet, besucht die eine Familie die andere, man spricht über Alltägliches, isst, trinkt Cay und verköstigt die mitgebrachte, edle Schokolade, während die Braut in Spe die Gäste ganz nach Tradition bewirtet. Ist ein wenig Zeit vergangen und die Familien sind sich ein bisschen näher gekommen, serviert die zukünftige Braut nun türkischen Mokka, der den wesentlichen Teil des Besuchs einleitet. Denn ist der Mokka getrunken, hält der Bräutigamsvater für seinen Sohn mit einem traditionellen Satz beim Vater, der hoffentlich zukünftigen Braut, um die Hand der Tochter an. Im Idealfall stimmt dieser zu und der Heirat der beiden Verliebten steht nichts mehr im Wege.

So jedenfalls die theoretische Kurzfassung für den Idealfall.

Meine „eingedeutschte Version” dieses denkwürdigen Anlasses hat da dann doch ein kleines bisschen anders funktioniert. Lasst mich euch davon erzählen…

Gottes Wille…

Wie sich herausstelle, war für mich bereits das Kaufen guter Schokolade und eines schönen Straußes Blumen eine nicht zu unterschätzende Herausforderung. Ich meine, was ist denn „gute” Schokolade und was für ein Strauß ist so einem Anlass gerecht?  Die obligatorische Nusspralinenschachtel für € 2,49 aus dem Discounter und ein Blümchen von der Tanke wären wohl nicht die beste Wahl. Also was genau soll ich kaufen? Gar nicht so einfach! Ich entschied mich für 2 Packungen der teuersten Markenpralinen die ich finden konnte – denn ganz nach deutscher Manier – doppelt hält besser und Qualität zahlt sich aus… hoffentlich. Die Zeit kurz vor meiner Abfahrt Richtung Schwiegereltern in Spe war besonders brutal für mich. Regelmäßige Selbstgespräche, Angstattacken und Stoßgebete, alles inklusive. Die 15 Minuten lange Fahrt in Richtung meiner großen Zukunft habe ich damit verbracht, durchgehend immer wieder den selben Satz laut auszusprechen, auf das ich ihn bloß nicht vergesse – wenn es soweit ist. Schließlich beschränkt sich mein Türkisch bisher nur auf einige wenige Vokabeln, daher war ein ganzer Satz und dann auch noch ein so wichtiger und in so einer angespannten Situation, eine ganz besondere Herausforderung. Immer wieder “Allah in emri peygamberin kavli ile ‘Name der Braut‘ istiyorum” …immer wieder, immer wieder.

30 Minuten

Am Ziel angekommen, das Auto ausgemacht, war mein Puls schon gefährlich hoch und der allgemeine Gemütszustand irgendwo zwischen Nervenzusammenbruch und Herzinfarkt. Eine wirklich “interessante” Situation. Da ich noch ca. 30 Minuten Zeit hatte, war noch genug Gelegenheit, für das ein oder andere Stoßgebet und regelmäßige Selbstgespräche nach dem Motto „Tschakka, du schaffst das“ und „ruuuuhig, eiiiinatmen… auuusatmen…“.

Gesalzener Kaffee

Die Schoki und die Blumen unter dem Arm also los zur Wohnung meiner großen Liebe und leicht verstört und dezent zitternd die Klingel gedrückt. Vor der offenen Tür der Wohnung angekommen, lächelten mir schon die Gesichter meiner Liebsten und ihrer Schwester samt meines zukünftigen Schwagers entgegen. Die Schuhe ausgezogen und der eingekauften Köstlichkeiten und Blumen entledigt, schwanke ich direkt auf die Mutter der Familie zu, die ebenfalls lächelnd und – mich musternd im Flur – auf mich wartet. Unglaublich nervös nehme ich ihre Hand und stottere ein „Merhaba, ben David“ heraus und küsse ihre Hand, bevor ich sie zu meiner Stirn führe. Wie man mir sagte, ist dies eine Geste des Respekts und soll den Wunsch nach Ihrem Segen symbolisieren. Freundlich aber bestimmt führte sie mich direkt ins Wohnzimmer, wo der Papa der Familie offensichtlich auch sehr aufgeregt und unruhig auf mich wartete. Nachdem ich Platz genommen hatte und wir vorsichtig die ersten Worte miteinander wechselten, war das Wohnzimmer nun auch schon voll und alle haben sich einen Platz in der ersten Reihe genommen, um mitzuerleben, wie der Deutsche das wohl meistern würde. Ich muss dazu anmerken, dass ich von Haus aus ein eher introvertierter Mensch bin, daher war dies für mich im ersten Augenblick dann doch ein kleiner Schock, vor so vielen Menschen seine Absichten offenlegen zu müssen. Wie sich später aber rausstellte, war das sogar hilfreich, denn immer wenn die allseits gefürchteten Schweigesekunden aufkamen, nahmen sich meine zukünftige Schwägerin und Schwager ein Herz und führten mich und das Gespräch wieder in die richtige Richtung. (Hierfür bin ich den beiden wirklich super dankbar). Cay trinkend, Mutters Leckereien und die mitgebrachte Schokolade essend, kam das Gespräch nun langsam in Gang und nahm seinen natürlichen Lauf, wobei natürlich in meinem Fall gelegentliches Haspeln und Stottern mit einbezog. Meine Liebste, die offensichtlich genau so nervös war wie ich, servierte nun also den besagten türkischen Mokka, vor welchem ich so große Angst hatte. Warum? Naja, „danach wird’s ernst“ dachte ich mir. Gereicht wurde mir der Mokka in der traditionellen Mokkatasse, komplett mit Schaum überzogen und verfeinert mit einer großen Prise SALZ! …Salz?? Und ich habe mich schon gewundert, warum die Schwester meiner zukünftigen so breit grinste, als sie mich fragte „Uuuund, wie schmeckt der Mokka? Gut oder?“ Zur Familientradition gehört es nämlich, dass die zukünftigen Schwiegersöhne ihren Mokka versalzen bekommen, da dieser unter allem Umständen ausgetrunken werden muss. Denn trinkt man diesen nicht aus, will man die Tochter nicht. So die Theorie. Was blieb also anderes übrig, als den Mokka genüsslich und lächelnd bis zum letzten Tropfen auszutrinken. Da musste ich durch. Gemein, aber lustig. Als der Mokka also ausgetrunken war, war es soweit. Der Moment der Wahrheit. Nachdem mich Schwager und Schwägerin dann nochmal vorsichtig daran erinnerten, dass es nun an der Zeit wäre, den Grund meines Besuches anzusprechen, fasste ich mir ein Herz und den Rest des Mutes, der mir noch geblieben war und zog mein Ding durch. Erst auf Deutsch, dann auf Türkisch. Wie man mir nachher sagte, habe ich mich dabei gar nicht mal so schlecht angestellt, worauf ich im Nachhinein besonders stolz bin. Glücklicherweise hat sich ihr Vater hier keinen Spaß mit mir erlaubt und meinem Anliegen gegenüber positiv reagiert und mir seinen Segen erteilt. Puh, das war kein Stein der mir vom Herzen fiel, sondern ein Gebirge! Ich hatte mir die Nacht zuvor schon ausgemalt, wie er “NEIIIIN” schrie, oder gar einen Säbel wetzend und nach meinem Leben trachtend hinter mir her rennen würde. Zum Glück jedoch lief alles vergleichsweise reibungslos und seine Tochter und ich waren ab diesem Zeitpunkt einander versprochen.

Im Nachhinein, wenn ich so drüber nachdenke, war der Tag wirklich klasse. Ich werde mich ewig daran erinnern, nicht nur wegen den Fotos, die wir noch geschossen haben, sondern vor allem deswegen, weil ich so unglaublich erleichtert und glücklich war, als ich es hinter mich gebracht hatte. Die Familie meiner Verlobten ist wirklich super lieb und unglaublich herzlich. Ich könnte nicht glücklicher sein.  Schade, dass meine Familie nicht dabei war, denn das wäre wirklich lustig geworden, meinen Dad dabei zu beobachten, wie er für mich um die Hand anhält.

Soviel zu meinem Erlebnis, wie man um die Hand einer türkischen Frau anzuhalten hat. Wenn dieser Tag auch sehr anstrengend und gar nicht einfach für mich war, möchte ich ihn um nichts eintauschen.

Bis bald und einen guten Rutsch für euch alle ins Jahr 2011

🧿 Über uns ~ KochDichTürkisch 🧿

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18 Kommentare zu „HeirateDichTürkisch ~ „Um die Hand anhalten für Anfänger““

  1. “Am Ziel angekommen, das Auto ausgemacht, war mein Puls schon gefährlich hoch und der allgemeine Gemütszustand irgendwo zwischen Nervenzusammenbruch und Herzinfarkt. ”

    SUPER :)))))
    hab mich schlapp gelacht beim lesen :)))

    wünsche euch viel spaß in der ehe und viel glück, gesundheit und eine schöne zukunft im leben
    lg

  2. tolle geschichte! :)
    alle achtung dass du das alleine durchgezogen hast! das erfordert einiges…
    ich wünsch euch viel spaß bei eurer hochzeit und alles gute für eure gemeinsame zukunft ;)
    lg

  3. Vielen Dank, dass Du diese schöne und auch amüsante Geschichte mit uns allen teilst! Ich finde, Du hast Dich wirklich wacker geschlagen… den Mutigen gehört der Sieg bzw. die Braut ;-)

    Da wir die gleiche, wenn auch seitenverkehrte Kombi sind, freue ich mich über viele weitere Deiner Anekdoten und Geschichten, die das Leben so schreibt.

    Und mit allen anderen Lernenden hier hoffe auch ich neben den Kochkünsten nach und nach auch die türkischen Sprachkenntnisse ein wenig erweitern zu können.

    Selamlar

    Fanny

  4. Hallo Ömer, Nuran und Fanny…

    schön, daß euch der Artikel gefallen hat. Ich, bzw wir, freuen uns darüber sehr. Ich bin mir sicher, die Zukunft wird noch viele lustige Geschichten für mich und somit auch euch bereit halten.

    Ah, und Danke, für eure lieben Glückwünsche ;-)

    Selamlar
    David

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  6. Hallo,
    habe mit Interesse den Bericht über die Brautwerbung gelesen.
    Er deckt sich im wesentlichen mit den Ausführungen meines Reiseleiters, der uns während der Busrundfahrt vieles über Sitten und Bräuche unserer türkischen Landsleute erzählte.
    Seine Ausführungen gingen aber noch weiter mit der erneuten Werbung und Beschenkung der Braut in der Hochzeitsnacht.
    Mein einwöchige Türkeirundreise war sehr informativ und hat das vorgefertigte Türkenbild gründlich verändert.
    Selamlar
    Günter

  7. Pingback: Türkischer Mokka zum Heiraten | KochDichTürkisch

  8. Pingback: 5 Jahre KochDichTürkisch > Interviews mit den Machern > David …auf dem Weg zum Türken! | KochDichTürkisch

  9. Hallo.
    Erst mal vielen dank für diese in einzelheiten erklärten Geschichte! Denn ich bin in einer solchen Situation. Eher kurz davor. Meine Freundin(Türkisch) und ich wollen heiraten und sie wird ihre Eltern bald von mir erzählen. Heißt also, wenn sie den ersten Schock überwunden haben, werde ich wohl in genau diese Situation auch noch kommen. Und genau wie dir, geht es mir jetzt schon. Immer und immer wieder gehen mir die schlimmsten Gedanken durch den Kopf! Leider und warum auch immer, nur schlechte! Ich hoffe und bete für ein gutes Ende.

  10. Hey Marc,

    stay cool! Ich war genau so eingestellt wie Du… “die Eltern werden geschockt sein”, usw… doch als meine Frau mich zur Sprache brachte, war sie selber überrascht, wie locker und selbstverständlich es ihre Eltern aufgenommen haben. Mit einem “Ja” auf die Frage “Macht er Dich glücklich?”, waren die Eltern bereits zufrieden und der Rest war nur noch “Formsache”. Klingt alles viel viel schlimmer, als es wirklich ist! OK, natürlich spielen Unsicherheiten und schlicht die fehlende Erfahrung mit der türkischen Kultur auch eine Rolle, wenn Du dann um Ihre Hand anhalten wirst, aber lass Dir gesagt sein: “Du packst das, IHR packt das!” Wenn Du dort hin gehst, dann ist im Grunde schon alles entschieden, denn die Eltern werden Dich und Euch sicher nicht einladen, nur um euch euren Wunsch abzuschlagen. Wenn Du eingeladen wirst, ist der größte Teil des Weges bereits hinter Dir und Du musst den Eltern nur noch “beweisen”, daß es Dir wirklich ernst ist, indem Du eben diese Situation meisterst. Lass Dich nicht runter ziehen, das wird schon. Und um so stolzer wirst Du sein, wenn Du das alles hinter Dir hast, denn mal ehrlich, welcher Deiner Freunde hat sowas schon durchgezogen für seine Liebste? ;-)

    Wünsche Dir und euch alles Gute!

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