Deutschland, EI-Nix Vaterland

Deutschland, EI-Nix Vaterland

Auch ein Migrant hat Eier – zumindest zum Frühstück. Aber während man vor kurzem noch kraftvoll zubeissen konnte in so ein anonymes Ei, muss es ab sofort Bio sein und damit ist nicht der Moderator einer berüchtigten Kochsendung gemeint, die aufgrund des exzessiven Rotweinkonsums eigentlich per Jugendschutz-Dekret im Nachtprogramm laufen müsste. Nein, es geht um die nicht-befruchteten Fortpflanzungszellen glücklicher Hühner, die erhöhte Dioxin-Werte nur aus dem Fernsehen kennen, im Futter ihrer Verwandschaft aus Massentierhaltung.

Gemeinhin wird dem Türken ja gerne mal vorgeworfen, dass er es nicht so genau nimmt mit der Lebensmittelqualität. Sie erinnern sich? “Einmal Döner ohne Gammelfleisch und Zwiebeln aber mit viel Tsatsiki!” Aber was ist schon so ein bisschen gut abgehangenes Kebab gegen toxische Hühnereier? Gut, man könnte jetzt ganz viel Tsatsiki über das Spiegelei kippen und es zwischen zwei Fladenbrothälften packen aber irgendwie ist es nicht das Gleiche. Und doch “EI”nte uns der Eiertanz zu Beginn des Jahres. Seit dem Rinderwahn-Wahn hatten Migranten und die deutsche Mehrheitsgesellschaft keinen handfesten gemeinsam durchlebten Lebensmittelskandal mehr.

Schwein gehabt, weil kein Schwein gehabt
Während ihr euch also über das verseuchte Frühstücksschnitzel von unglücklichen Schweinen aufregen durftet, mussten wir uns über Frostschutzmittel im Rakı (für alle Nicht-Zugezogenen: Das ist türkischer Anis-Schnaps) wundern. So aber haben wir einen integrativen Skandal. Wir werden gemeinsam vergiftet! Na, fühlt sich das nicht gut an?
Wahrscheinlich nicht. Wohl eher das Gegenteil oder? Außerdem müssen Sie wahrscheinlich eh gerade würgen und fragen sich, ob dass an dem Eierlikör von der gestrigen Karnevalsfeier liegt oder an diesem verwirrten Glossenschreiber, der kontaminierte Hühnereier als integrationsstiftend verklärt. Und auf einen Anis-Schnaps zur Magenberuhigung haben Sie womöglich auch keine echte Lust.

Auweia, Auweia – das Kamel legt keine Eier
Was war eigentlich zuerst da? Das Ei oder der Skandal? Geht es nur mir so oder haben politische und gesellschaftliche Skandale in ungefähr die gleiche Haltbarkeit wie eine Pro7-Popstars-Single in den deutschen Top100?
Da will man sich in aller Ruhe und Sachlichkeit dem Thema “Gefahren aus dem Hühner-Harem” widmen und muss sich stattdessen mit despotischem Machtmissbrauch auf der anderen Seite des Mittelmeers befassen. Konnten die revolutionären Massen in Nordafrika und Nahost nicht warten, bis wir das Dioxinthema in den allseits bewährten TV-Diskussionen und Stammtischen zu Ende diskutiert haben? Ich meine, die DDR-Bürger haben ihren Revolutionszeitplan doch auch auf die Bundestagswahl 1990 und die Wiederwahl von Helmut Kohl abgestimmt.
Selbst “Freizeit-Nostradamus” Sarrazin hatte seinen Platz in den Medien, den Kolumnen und dem Feuilleton frei gemacht für Schweine und Hühner.
Und dann das… Durst nach Demokratie statt Hunger nach gesunden Lebensmitteln.

Eier, wir brauchen Eier
Und handfeste Revolutionen!
Nochmal zurück zu unserer Ausgangsthematik: Eigentlich will doch die Mehrheit von uns eine Art Revolution auch in der industriellen Lebensmittelproduktion. Quasi so etwas wie “Dioxin 21”, inklusive Schlichterspruch (“Kein zu hoher Dioxingehalt mehr in Futtermitteln”) und von mir aus mit Helmut Kohl als Mediator, denn mit Eiern kennt er sich ja bestens aus.
Doch das Leben ist nunmal kein Pony- respektive Hühnerhof und irgendwie habe ich das Gefühl, dass auch über diesen Lebensmittelskandal das Gras wachsen wird, von dem sich dann all die, dieser Tage prominenten und fröhlichen Bio-Hühner ernähren werden, um im Anschluss uns zu ernähren. Egal ob als türkisches Tavuklu Pilav oder deutsches Hühnerfrikasse.

So, ich muss jetzt noch Rakı in den Wischwasserbehälter meines Autos füllen und das Frostschutzmittel im Kühlschrank kaltstellen.
Vielleicht koche ich mir nachher noch Spiegelei mit Sucuk.
Mit Bio-Ei aber ohne Bio-Lek.

In diesem Sinne… Ei Ei Ei… Verboten!

4 Kommentare zu „Deutschland, EI-Nix Vaterland“

  1. Als ich von dem Dioxin in deutschen Eiern hörte sind sie mir schlicht abgefallen. Seit ich in der Tierernährung tätig war und weiss was da rein kommt, esse ich nur noch Bioeier, denn wie sagte ein Komiker zu einer Zeit als ihr jungen Bengels noch nicht mal in die Hosen machtet: “Wenn rauskommt was da reinkommt dann kommen die rein und nie wieder raus!”
    Multiagrikulti (=Agrikulti der Multis)hat versagt!!!!!!!
    Beim Aufstehen ist mir endlich eingefallen warum ich so gerne Türkisch höre und ich mich auf meine alten Tage sogar ans Türkischlernen gemacht habe. Es war einmal vor vielleicht 50 Jahren, da hatte ich eine Single von Eartha Kitt mit einem Lied arrangiert von Ahmet Ertegün das begann mit folgenden Worten: Üşkadar’a gider iken aldı da bir yağmur…. Ich glaube von diesem Augenblick an war ich verhext.
    Multikulti ist gesund und biyolojik. Monokultur erfordert den Einsatz von Gift. Das hatten wir doch schon einmal. Das deutsche Reinheitsgebot soll man auf Bier beschränken. Bier darf beschränkt sein, wir nicht.
    Üşkadar’a gitmek istiyorum, vielleicht mit meinem Freund Kosta aus Alexandria welcher Türken nicht mochte. Ihm und euch allen widme ich diese griechisch-türkische Version: http://www.youtube.com/watch?v=Hk19hF-4FXs&feature=related. Und du Jupp, immer sachte mit dem Eierlikör!

  2. Mir fällt auf welch natürlicher Anmut in Deutschland das Wort Migrant gebraucht wird. Dieses Wörtlein ist doch wohl das letzte Bollwerk der Realitätsleugner nachdem der Gastarbeiter sanft entschlafen ist. Früher gab es nur Emigranten in Erinnerung daran, daß Deutschland mal ein wichtiges Auswandererland war. Heute gibt es also Migranten. Allerdings sind davon nur Ausländer betroffen. Deutsche können natürlich immer noch auswandern und dann auch irgendwo einwandern. Google listet mir für Immigranten ungefähr 170000 Seiten auf und für Migranten über 800000.
    Sprachregelung von oben erfolgreich durchgeführt. Wie soll man Migranten integrieren? Das geht ja gar nicht. Die migrieren ja dauernd. Vor diesem Hintergrund ist nur noch anzumerken, daß Yusuf kürzlich mal wieder umgezogen ist.
    Migranten aller Länder seid stolz und reicht euch die Hand. Ihr seid die Garanten der Biodiversität. Inzucht macht blöde.

  3. Pingback: 5 Jahre KochDichTürkisch > Interviews mit den Machern > Yusuf …der Sprachakrobat! | KochDichTürkisch

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