Siebenschläfer – Für die Deutschen ein Tag, für die Türken ein Ort

Siebenschläfertag – Im Raum-Zeit Kontinuum der Erde sind „die Siebenschläfer“ eine meteologische Singularität. Für die Deutschen sind sie ein Tag, für die Türken ein Ort.

Der Siebenschläfertag ist heutzutage nur noch als Lostag für das Wetter bekannt: „Das Wetter am Siebenschläfertag sieben Wochen bleiben mag” oder „Siebenschläfer Regen – sieben Wochen Regen” oder „Ist der Siebenschläfer nass, regnet’s ohne Unterlass”.

Die holprigen bäuerlichen Wetterreime sind in der Türkei in dieser Form nicht bekannt. Die Türken haben sich dafür andere Spielereien mit den Siebenschläfern einfallen lassen. Die Grotte Eshab-ı Kehf in Tarsus ist bekannt als Schlafstätte der „Siebenschläfer“, die für Gläubige verschiedener Religionen von Bedeutung ist, da die hier schlafenden sieben Jünglinge als Heilige angesehen werden.

Täglich grüßt …

Täglich grüßt der Hahn den Imam Muhammed K. aus dem Schlaf. Das tägliche Time-Tandem kann für Muhammed K. beginnen. Erst einmal heißt es den Rest der verschlafenen Stadt Tarsus auf die Beine zu helfen.

Der Imam ist verantwortlich für die Moschee, die sich über der Grotte „Eshab-ı Kehf“ befindet. Das arabische Wort „Eshab-ı Kehf“ bedeutet „Gefährten der Höhle“ und ist bekannt als eine mögliche Ruhstätte der Siebenschläfer. Doch der quirlige Imam mit der antiquierten Sprache ist überzeugt: Die Grotte „Eshab-ı Kehf“ in Tarsus ist die wahre Schlafstätte der heiligen Siebenschläfer. „Die hier befindliche Höhle ist die älteste Höhle der Siebenschläfer. Es ist ein unzweifelhafter Ort, wo elf Großvölker geherrscht haben. Aus allen arabischen Ländern reisen sie in Kolonnen hierher – aus Lybien, Syrien, Jordanien oder Saudi Arabien. Auch in Jordanien gibt es eine Siebenschläfer-Höhle, aber sie kommen hierhin, weil sie wissen, dass hier der wahre Ort ist.“

Nach etwa zwanzig Stufen in die Tiefe ist es in der Grotte „Eshab-ı Kehf“ dunkel und angenehm kühl. Mehrere Reisegruppen lassen sich die Historie der Grotte erklären. Davon unbeeindruckt versucht die 41-jährige Fatma mit ihren zwei Freundinnen an der „Wunschwand“ ihre Münze zum Haften zu bringen. Dann ginge ihr Wunsch in Erfüllung, so heißt es. Sie ist eigens für diesen Ort aus dem Osten der Türkei – aus Antep – hierher gepilgert. Das Unternehmen sieht aussichtslos aus, denn die Wand ist senkrecht steil. Doch Fatma bleibt hartnäckig: „Ne bileyim dilek dileyip taş tutuyorum işte. Bak taş yapışıyor yani. Aha tuttu! Tuttu vallah!“ Die Münze haftet und Fatma erfreut. Wenn’s stimmt, wird Fatmas Wunsch in Erfüllung gehen.

Die Legende um die Siebenschläfer ist eng mit den drei monotheistischen Weltreligionen verquickt. Das beeindruckt den Schweizer Mark L. besonders. Der Pfarrer aus Genf hat eine interreligiöse Reise organisiert und war auch kurz zuvor an der Westküste der Türkei in Efes. Auch Efes nimmt für sich in Anspruch, die Ruhestätte der Siebenschläfer zu sein. Aber welches ist wahrscheinlicher? Das haben wir uns auch gefragt. Wie ist das nun? Ist es dort oder hier? Da kann man viel darüber diskutieren. Man weiß es nicht.“ Mark L. fügt weiter hinzu: „Es sind Christen, die Siebenschläfer. Aber ich habe niemals Christen gefunden, der ein Platz haben, wo eine Benefahrtsort ist für eine Erzählung von Mohammed oder dem Islam. Also das ist wirklich Interreligiösität und das fasziniert.“

Doch der interreligiöse Funke scheint auf Imam Muhammed K. nicht überzuspringen. Wenige Schritte entfernt schüttelt der Imam nur mürrisch mit dem Kopf, während sein Assistent ihm die Worte des Pfarrers simultan übersetzt. Für Muhammed K. ist die Legende der Siebenschläfer keine christliche Angelegenheit. Der studierte Theologe verweist auf eine Sure der „Siebenschläfer“ im Koran: „Diese Angelegenheit ist eine Monotheistische. Das ist sehr wichtig! Diese monotheistische Angelegenheit ist ein Exempel dafür, wie ein Mensch zu glauben und welche Haltung er einzunehmen hat. Deshalb kommen die Leute hierhin.“

Ob nun die Kultstätte der ersten christlichen Jünger, der Walfahrtsort der ersten Monotheisten oder ein Ort, wo Wünsche in Erfüllung gehen, die Maus juckt’s wenig. Wir können nur hoffen, dass die Kaltwetterlage sich nicht weiter stabilisiert und wir bald wieder die Sonne sichten.

Oder um es mit Goethes Worten zu sagen

Spalten riß ich in die Felsen,

Daß die Sonne, steigend, sinkend,

Junge Wangen frisch erneute

(West-östlicher Divan, 1814-1836)

 

 

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