Sommer 2020, Uniklinik.
„Baba, hattest du das nicht gezeichnet?“
„Ja, oğlum. Ich erinnere mich, dass wir die Illustration damals mehrmals überarbeitet haben …hayalmayal* …“
Im August 2020 ist mein Vater gestorben. Die genaue Geschichte hat er mit ins Grab genommen. — Ich bin Orhan, Sohn von Mehmet Tançgil.
Was jetzt folgt, ist mein Versuch, die Geschichte hinter dem wohl bekanntesten Döner-Logo Deutschlands, dem Döner Logo, zu erzählen – so, wie ich sie erlebt habe.
Beginnen wir in den 1970er-Jahren. Baba kommt nach Deutschland
* hayalmayal = vage Erinnerung
Inhaltsverzeichnis
Prolog und warum das Döner Logo unvollständig erzählt wurde
2020 gab es die Frage nach der Herkunft des bekannten Döner Logos. Der FAZ-Artikel war die Basis warum ich Baba gefragt hatte. 5 Jahre später hat Kannemilsch dieses ein Recherche-Video veröffentlicht. 2 Wochen später gab es eine unvollständige Reportage durch die Tagesschau-Redaktion, die Döner Papers. Die Geschichte war aber nicht vollständig und hier erzähle ich sie:
23.05.2025: Die GANZE Geschichte des Döner Logos als Erzählung
Kannemilsch und die Rheinische Post fragen mich nach der Herkunft. Es gibt Beweise.
21.05.2025: Das Döner Logo und seine Herkunft halb erzählt!
Die Döner Papers werden veröffentlicht. Die Geschichte stimmt nicht ganz und es werden sehr sehr viele Details ausgelassen.

21.04.2025: Kannemilsch ist auf der Spur des Döner Logos
Die erste Döner Koch Illustration
Entstanden in der UFO Druckerei den 1980ern, digital gescannt am 12.10.1992 um 19:59 Uhr.


Das Döner Logo ist umgestaltet
Der Spieß ist ausgetauscht, der Schnauzer ist türkischer, es gibt jetzt auch Knöpfe
Baba kommt nach Deutschland

Mein Vater, Mehmet Tançgil, lernte als çırak – Lehrling – in einer Druckerei in Ankara. Er wurde Lithograf, Reprofotograf, Klischeehersteller – ein Spezialist für den Druck, lange bevor es Photoshop oder PDF-Dateien gab. Damals bearbeitete man Bilder in der Dunkelkammer, stellte Druckvorlagen per Hand her. – Der Offsetdruck setzte sich weltweit durch – und Baba war ein Meister für Klischees.
Eines Tages in 1971 flatterte ein Anwerbungsangebot aus Deutschland in die Druckerei. Ort: Essen. Baba zögerte nicht lange, schrieb einfach seinen Namen auf die Liste – und zwei Wochen später saß er im Flugzeug nach Düsseldorf.
Er begann als Lithograf bei Herrn Wechtenbruch in Essen – einer von nur zwei Türken unter hunderten deutschen Lithografen. Baba sprach kein Wort Deutsch. Aber das zählte nicht – nur seine Fingerfertigkeit. Sauber zeichnen, präzise retuschieren – das war gefragt. Die Sprache holte er sich nach und nach, mit Büchern und Kursen.
Eine meiner liebsten Erinnerungen: die Asterix-Hefte. Baba übersetzte jede Sprechblase ins Türkische, schnitt kleine Papierfetzen in Form der Sprechblase aus und klebte sie ein. So lernte er Deutsch – und ich lernte in den 1980ern mit den gleichen Heften Türkisch zu lesen.
Mama heiratete ihn etwas später in einer Blitzaktion – und flog 1972 ebenfalls nach Essen. Ja, sie flogen. Nicht mit dem Zug, wie es in vielen Gastarbeitergeschichten heißt.
Denn: Zwischen Deutschland und Ländern wie der Türkei, Griechenland, Spanien, Portugal oder dem damaligen Jugoslawien gab es sogenannte Charterflüge.
Diese waren nicht staatlich organisiert, sondern wurden von cleveren Geschäftsleuten arrangiert. Sie mieteten Maschinen von Lufthansa, LTU, Hapag Lloyd, Condor – und flogen die Gastarbeiter für einen Besuch zurück in ihre Heimat.
Die Nachfrage stieg – denn viele Gastarbeiter blieben in Deutschland. Ich erinnere mich an den alten Flughafen Düsseldorf, Gate C – die Halle für die Charterflüge. Dort roch es immer nach Zigaretten, Schweiß und frischem Lahmacun. Die regulären Passagiere gingen durch die Bereiche A und B, aber C war unser Tor zwischen zwei Welten. – Aber das ist eine andere Geschichte.
Nimm die 50.000 Mark – Gründung der UFO Druckerei
Mami, Nilüfer Tançgil, hatte in Ankara eine Schule für Sekretärinnen besucht. In Essen arbeitete sie später im Reisebüro Altilar. Ich war als Kleinkind oft mit dabei – und der Geschmack vom halben Hähnchen mit Pommes von der Bude an der Ecke hängt mir bis heute am Gaumen.
Viele türkische Kunden kamen, die Telefone klingelten ununterbrochen, und die Flugtickets wurden per Hand ausgefüllt – mit Kugelschreiber, auf mehrlagigen Formularen: ein Durchschlag für den Passagier, einer fürs Büro, einer für den Flughafen, einer für die Buchhaltung.
Mami wechselte später zur Chartergesellschaft UFO und wurde dort zur rechten Hand von Sümer Akat, dem Gründer des Unternehmens (1975, ISBN 9786058825086, Avrupada Anadolu Fırtınası). Ihre Kollegen im UFO-Team waren zugleich die Weggefährten meiner Eltern: Cem Trak, Eyüp, Ursula …
Im UFO-Büro in der Düsseldorfer Graf-Adolf-Straße durfte ich als kleiner Junge sogar den Rosenmontagszug von oben bestaunen. Heute die Nachtresidenz bzw. das alte Residenz Kino. Wenn ich mit Mami dort war, drückte Sümer Bey mir als kleiner Junge immer sein Kleingeld in die Hand. Ein großer Mann, über 1,95m. Er regte sich oft über die fehlerhaften Tickets aus der Türkei auf – Buchstaben falsch gesetzt, ungenaue Raster.
Da kam Baba ins Spiel. Die beiden kannten sich gut und hatten auch schon den einen oder anderen Rakı zusammen getrunken. In Deutschland wuchs zur gleichen Zeit eine türkische Gründerszene heran. Überall entstanden neue Import-Export-Läden, kleine Supermärkte, Reisebüros, Juweliere, Schneidereien. Und die brauchten Drucksachen.
„Hier Memo – nimm die 50.000 Mark als Darlehen und druck du die Tickets. Alles Weitere kommt dann schon. Der Name soll aber UFO-Druck sein, damit man den Bezug zur Chartergesellschaft hat.“
1979 ging die GmbH an der Bismarckstraße 87 an den Start – laut Sümer Bey: die erste türkische Druckerei Deutschlands. Das Darlehen zahlte Baba über die Jahre zurück. Der Name aber blieb: UFO-Druck.
Leuchttisch, Dunkelkammer, Familienbanden – Kindheit in der UFO-Druckerei
1979 zogen wir also nach Düsseldorf. Ich ging auf die Grundschule an der Gerresheimerstraße – und verlor auch bald mein Fußballherz an Fortuna Düsseldorf.
Nach der Schule ging ich in den Hort, und spätnachmittags kam Baba, um mich abzuholen. Wenn er es nicht schaffte, kamen oft seine Kollegen: Arif Karacaoğlu, der Drucker, oder Nuri Abi.
Baba hatte immer mehr zu tun – und das Team wuchs. Und die Familie wuchs mit: Mein Onkel Ahmet Tançgil kam aus der Türkei und übernahm die Buchhaltung – als gelernter Zahlenschubser war er von Anfang an ordentlich bis ins Letzte!
Auch meine Tante Çiçek Tançgil zog mit. Sie wurde Lehrerin an einer Berufsschule in Duisburg und blieb 45 Jahre angestellt – heute ist sie im Ruhestand. Baba hatte für beide Familien die Visa-Einladungen geschickt. Das ging damals erstaunlich schnell.
Wir alle wohnten direkt neben der Druckerei, in der Bismarckstraße 89. Wir im dritten Stock, Tante Çiçek mit Onkel im vierten – und gegenüber die Familie Unay: Mutter, Tochter und Mehmet Unay, der als Grafiker bei UFO-Druck begann.
1981 wurde meine Schwester Ayşe Tançgil geboren – und wuchs Tür an Tür mit seiner Tochter auf. Baba hatte damals die Wohnungen organisiert, denn die 87 und 89 gehörten einem Vermieter.
Die Druckerei hatte ihren ganz eigenen Geruch – ein Gemisch aus Papier, Maschinenöl und Zigaretten. Rauchen war normal. Die Räume: lang, schmal, durch und durch improvisiert. Vorne das Begrüßungszimmer, dann drei Leuchttische mit türkisen Rahmen, rechts die selbstgezimmerte Dunkelkammer – und ganz hinten die Druckerei mit zwei Heidelbergern: Klein- und Mittelformat.
Ich besuchte Mami und Baba fast täglich – und staunte, was dort alles entstand – ein Nerd-Spielplatz. Mein Lieblingsgerät war die Diatype – ein Kasten mit Guckloch, Joystick und Buchstabentrommel. Hatte man den richtigen Buchstaben im Visier, belichtete man das Fotopapier. Das Ergebnis sah man erst nach dem Entwickeln in der Dunkelkammer. Überschriften wurden so gesetzt. Den Mengensatz erledigten zunächst externe Setzereien – später kam ein Computer dazu: eine Varityper mit grünem Text auf schwarzem Monitor.
Mami saß oft dran – als gelernte Tippse war sie schneller als alle Männer im Raum, die sich mit dem Adler-Suchsystem durch die Tastatur mühten. Türkische Sonderzeichen gab es nicht. Also wurden sie von Hand ergänzt: das „ı“ ohne Punkt wurde freigekratzt, der Breve über dem „ğ“ mit einem Rapidographen gezeichnet.
Und die Flugtickets? Die funktionierten. Immer mehr türkische Unternehmer fragten sich durch: Wo bekommt man diese Drucksachen her?
Orhan Tançgil übt am Leuchttisch

Mehmet Tançgil, Arif K., Mehmet U., Ayşe Tançgil

Wann war nochmal Bayram? – Wie der Kalender die UFO-Druckerei veränderte
Die Tür zur Druckerei ging auf und zu, auf und zu – die Klingel war schon ganz ramponiert. Andauernd kamen Menschen herein. Die meisten sprachen Türkisch, andere Serbokroatisch, Italienisch – manche auch Deutsch. Neben den Tickets für UFO und TamTürk druckten wir Aufträge für Bäckereien, Wurstproduzenten wie Egetürk, Olivenimporteure wie Marmara oder für Läden, die türkische Videofilme verliehen – Yeşilçam-Filme. Damit habe ich übrigens Türkisch gelernt – und verstanden, wie die Türken so ticken. – Die VHS-Cover? Die haben wir auch gedruckt.
Immer wieder tauchte den Türken die gleiche Frage auf:
Wann ist eigentlich Bayram?
Religiöse und nationale Feiertage aus der Türkei waren in Deutschland weder präsent noch sichtbar. Kein Kalender zeigte sie. — Und genau da kam Baba die Idee – die, die alles veränderte: Motiv-Kalender mit Werbeeindruck und türkisch-deutschen Feiertagen.
Die kleinen Supermärkte bekamen Motive mit Flugzeugen und Landschaften aus der Türkei. Import-Export-Läden wollten die Stars: Orhan Gencebay, Hülya Avşar, Bülent Ersoy. Türkische Musik gab es damals nur auf kleinen Musikkassetten. Bei den Almans trötete Benjamin Blümchen, bei den Türken Zeki Müren. Die Kalender wurden verschenkt – und hingen dann ein Jahr lang in Küchen, Fluren oder Wohnzimmern. Dauerwerbung für die Läden.
Muharrem Doğan, der im Düsseldorfer Konsulat arbeitete und gefühlt jeden Türken in NRW kannte, wurde unser Vertriebsmann – der Kalender-Mann. Er tingelte durch die Lande und kam im Herbst mit einem Ordner voller Aufträge. Ich war in dieser Zeit dabei, denn Mitte der 1980er habe ich mitgearbeitet. Im Sommer wurden die Kalender gedruckt, gestapelt, verpackt. Jede Vorlage war handgezeichnet: links ein Obstkorb, rechts ein Lammkopf, in der Mitte Name und Adresse. Die Diatype lief heiß – für Überschriften. Bilder suchten wir in den Vorlagenkatalogen der CreativCollection: durchblättern, kopieren, ausschneiden, aufkleben. Dann: ab in die Dunkelkammer, rauf auf die Druckplatte, und jeden Monat einzeln drucken. Händisch zusammentragen.
Mein erster Job – mit 13 oder 14 – war das Zusammenztragen und -heften der Kalender. Besonders heikel: Rundsatz. Da nahm man einen Zirkel, markierte die Anzahl der Zeichen und setzte Rubbelbuchstaben von Letraset einzeln auf Position. Wir hatten sogar einen Spezialstift mit gebogener Sichel – für das Feintuning am Leuchttisch.
In den Folgejahren kamen immer mehr Kunden dazu – oder wollten Änderungen: statt Lammkopf ein Kuhkopf. Oder einfach ein neuer Text. Es war jedes Mal aufwändig. Aber es lohnte sich. Das Geschäft brummte.
1986 mieteten wir ein zusätzliches Büro mit 250 m2 in der Bismarckstraße 81. Zwei Jahre später zog auch die Druckerei mit um.
.
Pommes, Gyros, Döner
An der Ecke Bismarckstraße / Charlottenstraße, nur eine Minute zu Fuß von der Druckerei entfernt, gab es eine klassische Pommesbude. So wie ich sie aus Essen kannte – nur: der Geschmack war anders. Trotzdem lecker und wir knusperten 1-2x pro Monat ½ Hähnchen, Pommes, Majo. Ein Klassiker!
Mami hat natürlich jeden Abend gekocht. Meine Aufgabe: türkisches Brot holen. Ohne Brot gibt es in der Türkei kein Essen. Heiliger als der Koran. Ich lief oft zum Supermarkt am Worringer Platz (gegenüber von McDonald’s) oder zum Restaurant Saray. Das „türkische Brot“ war eigentlich ein Weißbrot aus der Industriebäckerei – aber psst … Ein- bis zweimal die Woche gab es frisches Pide im Saray. Ich konnte nie widerstehen und knabberte auf dem Heimweg schon daran. Saray war auch das einzige Restaurant, das damals Döner anbot. Später kam noch das Anadolu dazu.
In den 1980ern übernahmen die Griechen nach und nach die Pommesbuden in Düsseldorf – ich erinnere mich an das Irodion in der Hermannstraße, das später in die Flurstraße zog. Oder das Olymp in der Birkenstraße, wo ich in meiner Ausbildungszeit bei Leyhausen einmal pro Woche Curryfrikadelle mit Pommes aß. Manche Kollegen nahmen lieber eine Gurke.
Es gab dort aber auch jeden Tag einen selbstgesteckten Gyros-Spieß. Der schmeckte auch – aber für mich war der Döner aus der Türkei einfach unersetzlich. Der Geschmack war auf meinen Gaumen gebrannt. Ich wollte den.
Dönerbuden waren damals noch selten – erst im Laufe der 1980er wurden es mehr.
Warum?
Viele Gastarbeiter verloren ihre Jobs – durch Fabrik- und Zechenschließungen. Der sogenannte Lummer-Erlass sah vor, dass Menschen, die länger arbeitslos waren, Deutschland zügig verlassen sollten. Das wurde viel diskutiert. Es gab sogar 1983 das Rückkehrhilfegesetz – man musste nur auf seine Rente verzichten. Viele wollten das nicht – und suchten einen Ausweg in die Selbstständigkeit.
Dönerbuden waren relativ einfach zu eröffnen: Ein Spieß, etwas Salat, frisches Pide vom Bäcker. In den 1990ern entstanden immer mehr Döner-Fabriken, die tiefgefrorene Spieße jeden Morgen an die Läden lieferten. Heute ist daraus eine Industrie mit über 10 Milliarden Euro Jahresumsatz geworden.
Und die Döner-Buden? Die brauchten auch Kalender.
Und wir? Wir brauchten eine Döner-Illustration. Dafür spule ich nun aber zurück ins Jahr 1986.
Amiga500, Mac IIcx, Agfa SnapScan
Mitte der 1980er waren meine Eltern jedes Wochenende bei Freunden eingeladen – oder hatten selbst Besuch. Fernsehen? Drei Sender. Internet? Gab’s nicht. Also wurde gespielt: Rommee, „konken“, Einsatz: 5–50 Pfennig. Wenn Mami einen guten Abend hatte, waren es auch mal 10 Mark. Ich spielte mit den anderen Kindern oder war draußen mit dem BMX.
Am liebsten war ich bei den Yazıcıs. Atilla amca ist Modellbauer, seine Frau Semra arbeitete mit Mami im Reisebüro. Ihr Sohn Memo hatte einen Commodore 64 – mit Kassettenlaufwerk. Später mit 5¼”-Disketten. Summer Games, Kaiser, Boulder Dash. Ich war hin und weg.
Ich wollte auch einen Computer. — Baba war dagegen: „Zu schlechte Noten.“ Aber wir machten einen Deal: „Du hast ’ne Fünf in Mathe? Bring in einem Jahr eine Zwei, dann bekommst du einen Computer.“
Ich strengte mich an – mit Hilfe meiner Tante Çiçek, der Chemielehrerin. Ein Jahr später hatte ich die Zwei auf dem Zeugnis. Mit dem Zeugnis in der Hand ging’s zu DataBecker in Düsseldorf – der Nerd-Laden schlechthin. Ich wollte einen C64, aber der Verkäufer sagte: „Nimm den Amiga 500 – das ist der heiße Scheiß.“
1600 Mark. Baba zahlte. Ich hatte meinen ersten Rechner. Röhrenmonitor, Maus – und alles, was dazugehörte. Zur gleichen Zeit wurde in der Druckerei aufgerüstet. Die alte Varityper war für den Mengensatz zu langsam.
Die neue Varityper kam. — 125.000 Mark teuer – aber: Vorschau am Bildschirm, eigene Eingabecodes, endlich digitale Bearbeitung. Nur: niemand kam mit dem neuen System klar. Dazu kamen noch die Verwerfungen in der Druckerei. In der aktivsten Phase hatte Baba gut 10-15 Angestellte. in der Druckabteilung war Ahmet Top, Ahmet Çelebi, Musa und und und… In der Buchhaltung kam Tayfun Menemencioğlu dazu, mehr als KeyAccounter eingestellt um die türkischen Großkunden bei Laune zu halten. Der Grafiker Mehmet Unay verließ 1989 das Unternehmen und nahm 2-3 Großkunden mit. Sogar den Namensgeber UFO, wo Sümer Akat die Geschäftsführung aufgegeben hatte. Mein Onkel Ahmet sollte nun in der Grafik den Satz übernehmen, nur sein Deutsch war gut, aber es fehlten die Fachbegriffe für die neue Varityper.
Baba schickte mich also zur Schulung. Ich war 16. Nach der Schule saß ich neben Onkel Ahmet und Herrn Klein. Der Stoff zum Lernen war Maschinencode, typografische Fachbegriffe statt Deutschaufsätze.
Punktgröße, Zeilenabstand, Satzspiegel. Mein türkisches Umfeld ging zu Behörden dolmetschen – ich übte mit einem Rapidograph saubere Rundsätze.
Die Varityper hatte aber ein Problem: kein Druck, nur teures Fotopapier. Deshalb kam der nächste Gamechanger:
Ein gebrauchter Apple Macintosh IIcx, mit Hochkantmonitor und PostScript-Laserdrucker.
Verkauft von Olaf Pott – für 20.000 Mark! Das Ding stand nur da, um den Laserdrucker zu steuern. Aber was macht der neugierige Orhan? Ich setzte mich ran.
Per AppleTalk kam die Druckdatei vom Varityper auf den PostScript-Drucker. Ich habe echt viel Code geschrieben… Mit 17. Meine schulischen Leistungen litten, denn Onkel rief mich immer wieder zu sich, da er mit den verschiedenen Systemen nicht klar kam. Die Erfahrung vom Amiga half mir, mich einfach an den Mac zu setzen und loszulegen. Er hatte eine Maus, Dateien, Ordnerstrukturen, Software. Der Varityper war im Vergleich rückständig. Brauchte man Schriften, so kostete es pro Schnitt (also Regular, Italic, Bold…) 1200 Mark. Ein teures Vergnügen. Ich konzentrierte mich auf den Mac, denn es war ein Riesenspaß Grafiken am Bildschirm zu basteln. Aldus FreeHand 2.02, Photoshop 1.07, QuarkXpress 2, PageMaker, Illustrator waren nun meine Spielzeuge. Jede Funktion habe ich gefressen, Fachzeitschriften verschlungen, Nächte durchgemacht. Die Schule litt immer mehr, aber ich bekam viel Anerkennung aus dem fachlichen Umfeld. Das Abi hatte ich dann nicht mehr geschafft und bewarb mich für eine Ausbildungsstelle bei Leyhausen. Er brachte als erster in Deutschland 1985 den Apple Macintosh nach Deutschland. Außerdem war es eine Schriftsetzerei. Doppeltes Paradies für meinen Wissenshunger. Er hat mich sofort eingestellt und ich durfte an einem AppleQuadra700 viel üben. Mit meinem Azubi Kollegen Sascha Ropertz erstellten wir Reinzeichnungen, bauten Grafiken und gaben aber auch Schulungen für kleine und große Agenturen. Leyhausen war ja Systemhaus und Setzerei in einem. Ein großer Job von mir war die technischen Zeichnungen von Heimeier in Illustrator in Pfade umzuwandeln. Auf einen Flachbettscanner gelegt, eingescannt und Punkt für Punkt nachgebaut.
Das habe ich Baba erzählt und in der Druckerei gab es nun den ersten Scanner Agfa SnapScan für schnäppische 2000 Mark. Für die Kalender Produktion ein Traum, denn nun konnte man die ganzen Grafiken endlich einfach in den Grafik-Applikationen skalieren. Es reichten erst mal einfache Bitmap Grafiken. 1992 scannte ich das erste Mal die Illustrationen.
In den Folgejahren verbrachte ich Nächte vorm Bildschirm, las Fachzeitschriften, machte auch schon die ersten Reinzeichnungen. In der Schule sank meine Leistung – aber in der Druckerei stieg mein Einfluss.
Die wahren Döner Papers
Ich wusste, dass es die Dateien noch geben musste. Irgendwo. — Baba war 2020 gestorben, Mami vier Jahre später. Als wir die Wohnung leerten, gingen Kartons über Kartons in den Papiercontainer – viele Originale glitten dabei durch meine Hände: die türkische Frau vom alten Yayla-Logo, Kataloge der CreativCollection, Ticketvorlagen, Skizzen. – Ich konnte nicht alles retten.
Aber ich behielt einen Rechner – und eine Festplatte.
Darauf schlummern sie noch heute:
Die Dateien von 1992.

Die ersten digitalisierten Illustrationen für die Kalender, Visitenkarten, Etiketten. — Und auch: unser Dönermann (aka ohne Spießbraten) — Die Linien: lang, fein, geschwungen. Die Schraffur? Typisch Baba. Außerdem noch viele Döner-Illustrationen mehr!
Die Erinnerung ist wieder erwacht. Die kleine schwarze 1TB Festplatte an das MacBook angeschlossen, wurde es hell. Im Herbst 1992 nutzte ich Flachbettscanner im Ausbildungsbetrieb. Baba habe ich dann überredet auch einen zu kaufen, denn bis dahin wurden die Kalender-Eindrucke weiterhin am Leuchttisch zusammengeklebt. Scanner gekauft.
Als ich dann am 12.10.1992 den Scanner am Macintosh IIfx per SCSI angeschlossen hatte, packte ich mir den Kalender-Ordner – der typische Zeitz Ordner halt – und legte einzeln die Vorlagen auf das Glas.
Auf dem Mac legt ich eine ganz einfache digitale Ordner-Struktur an.
Name: Kalender-Bilder / A–Z. Es füllte sich eins nach dem anderen. Heute sehe ich sie und kann sie nicht direkt öffnen. In der MacOS9-Ära brauchte man keine Dateiendungen wie .jpg oder .gif. Das Dateiformat war properitär gespeichert, also nur für den Mac. So tippe ich sie dazu und die Dateien lassen sich in Photoshop oder auch Illustrator öffnen. Die QuarkXPress Dateien sind noch kompliziert, denn einen Parser haben wir in 2025 nicht mehr. — Im Ordner D liegen sie nun. Die Döner Bilder.
Screenshot Originale

Screenshot Ordner.
Mit der Zeit kamen immer mehr Scans und Grafiken dazu. Flankiert mit einzelnen EPS Dateien, die die Namen der kleinen Läden im Rundsatz lagerten. Warum? Die Grafiken wurden mit den Texten in QuarkXPress zusammengestellt. Dieses Layout-Programm konnte aber keine Freiformen mit Text zusammenbringen. Das ging nur in FreeHand. So hatte man immer 3 Dokumente: Layout, Bild, Grafik.
Baba konnte keinen Rundsatz. Er hat immer geflucht.. Es war auch etwas filigran zu verknüpfen. Der Textcursor musste genau auf den Kreisbogen. Ich konnte es von Anbeginn und alle kamen zu mir seit den 1988ern.
Screenshot Kreislogos
In der Creativ Collection nicht zu finden, auch nicht in anderen Katalogen. Der typische Pizza-Bäcker den es auf jeder Pizza-Schachtel gibt, war schon integriert in Deutschland, sowie die Max&Moritz Illu für das Grillhähnchen. Ein Dönermann fehlte. In der Bismarckstr. 87 gruben sich alle durch die Vorlagen, mein Vater Mehmet Tançgil, mein Onkel Ahmet Tançgil, der Grafiker Mehmet Unay, unser Freund Orhan Özok (Illustrator bei ORT Krefeld). Man fand einen Koch mit Spießbraten, den man wegschnitt und einen Döner-Spieß dazu zeichnete. Vermutlich mein Vater, denn die Schraffur ist typisch für seinen Zeichenstil gewesen. Mit einem Rapidograph und lange Striche. Sehr feinteilig. Parallel entstanden aber auch andere, die in die Kalender erschienen, aber auch mal für Visitenkarten etc. In der Fachsprache Akzidenzdruck bzw. Gebrauchsgrafiken genannt.
Das Logo muss auf der Festplatte irgendwo liegen. Vergeblich. Vielleicht hat er es auf eine CD gebrannt? Oder für jemanden gemacht und ausgedruckt? Meine persönliche ist definitiv, dass ich den Rundsatz mit der VAG Rounded erstellte. Die Raffinesse war die Outline. Eine Funktion die ich den 1990er ertüfftelt habe. In Freehand ging das. – Nun aber der Beweis warum es von Baba gemalt sein muss. Wir hatten bis zur Insolvenz die Leuchttische mit grünem Rahmen. Perfekt zum Appausen. Lege ich mir nun die verschiedensten Vorlagen zusammen, ergibt sich das heutige Döner Logo. Wahnsinn!!! Ich glaube auch dass die Auftraggeber es extra kompakt haben wollten, damit es auf die Dönerverpackung passt. Außerdem ist die Strichstärke sehr fett. Ideal für den Flexodruck. Er sie waren weiß ich nicht mehr 100%. Ich vermute YedeGör am Worringer Platz oder die Nachfolger DeneGör. Die jungs haben vor ihrer Döner Karriere in der Druckerei Kalender zusammengetragen.
Die Rekonstruktion des Döner-Logos
Die Vorlagen für Döner-Buden sammelten sich nun Jahrelang digital in den Ordnern. Als wir nach dem Tod von Mami mit meiner Schwester Ayşe die Wohnung leerten, schmiss ich Ordnerweise die alten Vorlagen in den Papiercontainer. Manch Original glitt durch meine Hände. Die türkische Frau vom alten Yayla Logo und die CreativCollection. Bleibt also erst mal nur das digitale. Vielleicht taucht es aber noch auf. Es gibt noch ein paar ungeöffnete Kisten.
- Koch mit Spießbraten
- illustrierter Döner-Spieß
- illustrierter Döner-Spieß MT
- Vorlage Spieß und Döner
- Vorlage Schale
Die Vorlage für das heutige Kult-Logo, gescannt 1992 von mir.
Ein Stück Erinnerungskultur der Gastarbeiter in Deutschland. .
Gezeichnet von meinem Vater.
Gescannt und gespeichert von mir.
Und vielleicht irgendwann – neu erzählt.
Güzel aydınlatıcı makale için teşekkürler daha iyisi samda kayısı umarım faydalı çalışmalarınızın devamı gelir.
Wir sind alle mit dem Logo aufgewachsen, schön zu wissen wie es entstanden ist. Besonders für mich, da ich diesen Wechsel in der Branche auch erlebt habe (Jahrgang 1968).
Was für eine interessante Geschichte. Danke fürs Teilen :)